Mit Freude dürfen wir hier das erste Kapitel von Félicie Baumeister, einer Läbensschülerin, veröffentlichen. Es handelt von Feuer und Wasser, von Drachen und Prinzessinnen, seid gespannt!
Dragonheart
Feuer und Wasser
Prolog
Es war finsterste Nacht. Neumond. Das neue Jahr begann. Schritte eilten durch die uralten Gemäuer eines Palastes. Es waren schnelle, gehetzte Schritte. Hinter dem Schatten der durch die Gänge rannte, eilten zwei weitere Schemen. Es war ein Überraschungsangriff gewesen. Niemand hätte gedacht, dass es jemand wagen würde in dieser heiligen Nacht das Schloss anzugreifen, geschweige denn, in die königliche Brutkammer einzudringen. Der König selbst und zwei seiner Gefolgsleute versuchten nun dort hinzugelangen, ehe es zu spät war. Plötzlich tauchte vor den drei rötlichen Schatten ein eher bläulicher auf. “Sieh an, sieh an. Wen haben wir denn da? Der König der Feuerschwingen. Sag mir, wie fühlt es sich an, das ganze Königreich zu verlieren?” “Flood. Du bist eine Schande für die Drachen. Nicht einmal die Banditen von den dunklen Inseln wagen es, heute Nacht anzugreifen. Lass mich durch!” “Das hättest du wohl gerne? Aber weisst du was? NEIN!” Flood ging in Angriffsposition. Er duckte sich und spreizte seine gewaltigen Schwingen. Für einen Wasserschweif hatte er aussergewöhnlich grosse Flügel. Ausserdem schimmerten sie leicht rötlich. Man munkelte, dass der König der Wasserschweife ein Hybrid war, eine Mischung von zwei Drachenarten. Flood hatte die anderen Königreiche deshalb schon häufiger angegriffen, um zu beweisen, dass er ein Wasserschweif war — und zwar durch und durch. Aber so etwas, wie diese Nacht hatte er noch nie gewagt. “Lass uns das von König zu König regeln, Papyrus”, seine Stimme war nur ein Flüstern. Papyrus drehte sich zu seinen Wachen um. “Geht, beschützt die Eier”, danach drehte er sich sofort wieder, um und stürzte sich ohne Vorwarnung auf seinen Gegner. Dieser kreischte laut auf, als er mit seinem schmalen Schädel auf dem Boden aufprallte. Aber damit hatte er gerechnet, er hatte sogar gehofft, dass Papyrus ihn so angreifen würde. Er liess alle Muskeln erschlaffen, um seinen Gegner in den Glauben zu wiegen, dass dieser schon gewonnen hätte. “Gibst du so schnell auf? Also bitte, Flood, zuerst tust du so grosskotzig und da… Ahhh!” Flood hatte sich zu seiner vollen Grösse unter Papyrus aufgebaut. Auf den hinteren Pranken stehend, peitschte er mit den Vorderen durch die Luft. Flügel und Schwanz benutzte er, um das Gleichgewicht zu halten. Damit hatte Papyrus nun wirklich nicht gerechnet. Ohne zu wissen, was er tat, stürzte er sich nun auf die Kehle seines Widersachers. Er spürte Krallen an seinem eigenen Hals, beachtete diese aber nicht. Er war so auf den eigenen Angriff konzentriert, dass er nicht sah, wie Flood das Maul aufriss und Feuer spuckte. Blaues Feuer. Papyrus riss die Augen vor Staunen weit auf, als er zurückgeschleudert wurde. Also stimmte es! Also war Flood tatsächlich ein Hybrid! Doch nun war es zu spät. Plötzlich war Flood wieder über ihm und schlug die Zähne in seine Kehle. Papyrus schrie auf. Blut spritzte, als er seine eigenen Krallen mit letzter Kraft durch die stählernen Schuppen an Floods Hals zog und so seine Halsschlagader zerfetzte. Flood schrie auf und sank in sich zusammen, während das Blut langsam aus seinem Körper und auf den Marmorboden Floss. Papyrus neben ihm stand auf und schleppte sich mit letzter Kraft in die Brutkammer. Alle Eier waren zerstört, alle, bis auf eines. Die rote Schale des Eis wurde von glühenden, orangen Mustern durchzogen. Der Drache, der darin heranwuchs, würde bald schlüpfen. Die zwei Wachen, die zuvor König Papyrus begleitet hatten, kämpften gegen mehrere Wasserschweife. Und obwohl die Feuerschwingen in der Minderheit waren, hatten sie dennoch einen Vorteil. Sie kannten den Palast in- und auswendig. Ausserdem gab ihnen der Vulkan, den sie bewohnten, zusätzliche Energie.
Im Morgengrauen hatten die Feuerschwingen die Eindringlinge vertrieben. Das Ei glühte nun noch heller und stärker als noch vor ein paar Stunden. Der König lag am Boden. Kraftlos. Er atmete nur noch schwach, aber er lebte. Er hatte jegliche Hilfe abgelehnt, denn er wusste, er würde sterben. Nur seine Willenskraft hielt ihn noch am Leben. Er wollte noch miterleben, wie seine Tochter das Licht der Welt erblickte. Und dann war es soweit. Als im Osten die ersten Sonnenstrahlen wie Flammen an den Bergspitzen züngelten, brannte plötzlich das ganze Ei. Flammen loderten weit in den heller werdenden Himmel hinauf. Und dann explodierte das Ei. Die Stücke der Eierschale zersplitterten und zerstreuten sich in alle Himmelsrichtungen. Zurück blieb ein kleiner, dunkelroter Haufen aus Schuppen, Horn und Haut. War sie tot? Das konnte doch nicht sein. Da erstrahlte der Himmel in hellem Licht. Die Sonne war aufgegangen. Nun regte sich auch der kleine Haufen und zwei grosse, gelbe Augen blickten sich in der blutbefleckten Brutkammer um. Dann blieben sie an Papyrus hängen, der nun den Kopf hob und seine Tochter liebevoll betrachtete. “Dawn… Das s‑soll…. dein Name sein”, waren seine letzten Worte. Mit letzter Kraft hatte er sie ausgesprochen und nun sank er in sich zusammen und hauchte sein Leben aus. Ohrenbetäubendes Gebrüll schallte nun aus der Brutkammer wider. Die Drachen des Hofs hatten sich um den Leichnam des Königs geschart und brüllten ihr Leid in den flammenden Himmel und zu den Geistern ihrer Vorfahren hinauf. Der König war tot und bis dieser junge Drache alt genug war, um zu regieren, würden sie noch einige Jahre warten müssen. Es würden dunkle Zeiten werden, ja das wussten sie. Doch wie dunkel, das würden sie erst noch erfahren müssen.
Kapitel 1
18 Jahre später
“Prinzessin Dawn! Prinzessin Dawn, wo seid Ihr?” Dawn hörte die Stimme ihrer Erzieherin nur noch gedämpft. Sie flog nun mitten durch die dichten Regenwolken und versuchte Ruby abzuschütteln. Sie liebte dieses Wetter. Als einzige. Alle anderen Feuerschwingen hassten Regen. Dawn verstand nicht wieso. Als sie dachte, sie hätte ihre Erzieherin abgehängt, raste sie im Sturzflug durch die Wolken und wieder in den Regen hinein. Sie wollte zum Meer. Sie wusste zwar, dass dort das Königreich der Wasserschweife begann, welche ihren Vater umgebracht hatten, liebte es aber, direkt über die tosenden Wassermassen zu gleiten und ihr verworrenes Spiegelbild zu betrachten. Ruby hatte ihr immer gesagt, sie sähe aus, wie ihre Mutter und die Feuerschuppen hätte sie von ihrem Vater geerbt. Immer wenn Dawn nun so über das Wasser flog, versuchte sie sich vorzustellen, wie ihre Mutter und ihr Vater neben ihr herflogen. Da bemerkte sie jemanden hinter sich. Ein Wasserschweif! Jetzt galt alles oder nichts. Dawn wusste, wenn dieser Drache sie erwischte, wäre sie so gut wie tot. Wasserschweife und Feuerschwingen waren seit jener Nacht vor achtzehn Jahren miteinander im Krieg. Bis zu ihrem dreizehnten Lebensjahr hielt man Dawn im Palast fest und schärfte ihr immer wieder ein, ja nicht nach draussen zu gehen. Aber irgendwann war sie einfach ausgebrochen. Sie hatte die Schnauze endgültig voll gehabt und ihr war langweilig. Nun konnte sie niemand mehr daran hindern, den Palast zu verlassen. Dawn erschrak, als sie Zähne in ihrem Schwanz spürte. Sie war wieder einmal, trotz der Gefahr, am Tagträumen gewesen und hatte nicht bemerkt, wie der Wasserschweif sie eingeholt hatte. Sie wurde in die Tiefe gezogen und obwohl sie wusste, dass der Wasserschweif stärker war als sie, versuchte sie trotzdem wieder nach oben zu gelangen. Ihr ging langsam die Luft aus. Am Rand ihres Sichtfeldes tauchten schon schwarze Flecken auf. Das Letzte, was Dawn sah war Ruby, die hilflos über dem Wasser flatterte und nach ihr rief. Und dann nur noch Finsternis.
Dawn erwachte auf einer Wiese mitten in den Bergen. Wind peitschte die jungen, grünen Halme hin und her. Wo bin ich? Sie konnte sich nicht erinnern, in die Berge geflogen zu sein. Mühsam rappelte sie sich auf. Sie hatte Mühe, auch stehen zu bleiben bei diesen stürmischen Böen. Plötzlich zog Nebel auf, so dichter Nebel, dass Dawn nicht einmal mehr ihre Klauen sah. Irgendwann lichtete sich der Nebel wieder ein bisschen und Dawn konnte hinter diesem mehrere Schatten ausmachen. Es waren schemenhafte Gestalten, doch eindeutig erkannte sie die Konturen von Feuerschwingen und… Wasserschweifen? Und da waren Stimmen… “Wasser und Feuer werden sich im Kampf begegnen. Der Sturm wird tosen und die Erde beben. Doch Zwei sind die letzte Hoffnung. Findet euch! Vereint euch! Oder geht zu Grunde!” Nebel zog auf und die Schemen verschwanden wieder. Dawn blieb allein zurück. Der Nebel verdichtete sich so sehr, dass alles schwarz wurde.
Dawn wurde von einem Eisentor geweckt, das sich quietschend öffnete. Blinzelnd hob sie den Kopf. Warum war sie nicht tot? Warum konnte sie atmen? Der Wasserschweif, der in den Raum hineintrat, sah weder wütend, noch aggressiv aus. “Du bist wach. Wie geht es deinem Schwanz?” Nun war Dawn komplett verwirrt. Warum ist der so freundlich zu mir? Der Wasserschweif musste ihre Verwirrung wohl bemerkt haben, denn er sagte: “Oh, tut mir leid. Ich hatte mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Indigo.” Dawn musterte ihn, ehe sie misstrauisch, jedoch auch neugierig sagte: “Der Name passt.” In der Tat waren seine Schuppen Indigofarben mit einem leicht rötlichen Schimmer. Oder täuschte sich Dawn da? Sie blinzelte ein paar Mal, doch dieser Rotstich verschwand nicht. “Ist irgendetwas?” Indigo schaute sie besorgt an. “Nein alles in Ordnung. Aber, wo bin ich?” Wahrscheinlich bildete sie sich das bloss ein. “Du bist in meinem Geheimversteck”, er sagte es mit einem Grinsen im Gesicht, welches Dawn nicht wirklich deuten konnte. “Du hast Glück, dass ich dich gefunden habe, ehe es ein anderer Wasserschweif tat. Wenn dem nämlich so wäre, würdest du jetzt in Stücken zerfetzt am Meeresgrund liegen. Zum Glück bin ich nicht von dieser Art von Drachen, die andere umbringen, nur weil sie über das Wasser fliegen.” Nun grinste er nicht mehr, sondern schäumte vor Wut. “Ich hasse den Krieg. Ich hasse es! Warum können Feuerschwingen und Wasserschweife nicht einfach in Frieden miteinander leben!?” Er schien komplett in Gedanken versunken zu sein. Doch dann blinzelte er und schüttelte den Kopf. Seine Stimme wurde ernst. “Was hattest du eigentlich dort draussen zu suchen. Ich dachte, Feuerschwingen hassen den Regen?” Dawn schüttelte sich. Sie hatte zwar gewusst, dass diese Frage kommen würde, hatte sich darauf aber keine Antwort überlegt. “I…Ich… Ich weiss auch nicht genau. Aber ich weiss, dass ich irgendwie anders bin, als die anderen Feuerschwingen. Ich liebe den Regen. Ich weiss nicht, wieso, aber ich liebe ihn.” In ihrer Stimme war ein Hauch von Trotz herauszuhören, aber entweder hatte Indigo diesen nicht bemerkt, oder er ignorierte es einfach. “Ich wusste schon, dass ich anders war, als ich noch ein Nestling war. Ach ja, übrigens, ich bin Dawn.” Schon als sie diesen Satz ausgesprochen hatte, wusste sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Indigos blaue Augen wurden gross und er verbeugte sich hastig, so gut es dieser kleine Raum erlaubte. “Ihr seid Prinzessin Dawn?” Dawn rollte mit den Augen. Sie hasste es, wenn sich jemand vor ihr verbeugte oder sie mit Ihr und Euch oder gar Sie ansprach. “Bitte, du brauchst dich nicht zu verneigen. Ich hasse das.” Indigo rappelte sich wieder auf. “Tut mir leid eure Majestät.” “Und das mit der Höflichkeitsform kannst du auch gerade lassen.” Nun grinste Indigo wieder. Es war ein spöttisches Grinsen. “Daran solltest du dich aber gewöhnen. Schliesslich wirst du bald die Königin der Feuerschwingen sein. Meine Mutter wird mich umbringen, wenn sie erfährt, was ich hier mache.” Den letzten Satz nuschelte er ganz leise und unverständlich, doch Dawn hatte ein gutes Gehör. “Warum tust du es dann? Warum hast du mich nicht einfach umgebracht?” Indigo wandte sich ab. “Du würdest das vermutlich nicht verstehen.” In seiner Stimme schwang ein leichter Hauch von Trauer mit. “Erzähle es mir trotzdem.” Dawn hatte Mitgefühl für Indigo. Sie erkannte, dass etwas sehr Schweres auf ihm lastete. Indigo seufzte. “Na gut.” Er holte tief Luft. “Ich bin… verflucht. Ich habe das noch nie jemandem erzählt. Alle denken einfach, ich liebe das Wasser und würde es deshalb nie verlassen, aber eigentlich kann ich das Wasser nicht verlassen. Jedenfalls nicht ganz.” “Moment! Aber jetzt bist du doch auch nicht im Wasser? Wie kann das sein? Woher weiss ich, dass du mir nicht irgendeine Lüge auftischst?” Dawns Misstrauen war wieder erweckt. “Das ist etwas komplizierter, als es aussieht. Ich kann das Wasser verlassen, wenn ich in einer Höhle bin.” “Also jetzt versteh ich gar nichts mehr. Du kannst das Wasser verlassen, wenn du in Höhlen bist, aber nicht unter freiem Himmel? Warum das denn? Und wer hat dich überhaupt verflucht?” Indigos Stimme war nur noch ein kleines, leises Flüstern, als er Dawn antwortete: “Meine Mutter hat mich verflucht. Sie hat es getan, damit sie sich sicher sein kann, dass ich nicht abhaue und Frieden zwischen den Königreichen stifte. Sie hasst die Feuerschwingen. Sie hasst euch, weil einer von euch ihren Bruder getötet hatte. Aber jetzt, wo ich dich kenne, können wir versuchen, den Fluch zu brechen und den Frieden zwischen den Königreichen wieder herstellen!” Dawn war entgeistert und begeistert zugleich. “Deine eigene Mutter hatte dich verflucht? Das ist… das ist abscheulich!” Etwas ruhiger fügte sie dann hinzu: “Weisst du denn, wie du den Fluch brechen kannst?” Indigo schüttelte den Kopf. “Aber ich hätte da eine Idee, wie ich trotzdem in euer Königreich gelange.”